Seehunde und Kegelrobben um Amrum – Die heimlichen Stars des Wattenmeers

Wer Amrum besucht, trifft auf eine der faszinierendsten Tiergruppen der Nordsee: Seehunde und Kegelrobben. Diese charismatischen Meeressäuger, die sich auf Sandbänken ausruhen oder elegant durch die Wellen gleiten, sind nicht nur ein Highlight für Naturfreunde, sondern auch wichtige Bewohner des einzigartigen Wattenmeer-Ökosystems. Doch trotz ihrer Gemeinsamkeiten gibt es spannende Unterschiede zwischen diesen beiden Robbenarten.

Seehunde – Die „Allrounder“ des Wattenmeers

Seehunde (Phoca vitulina) sind die häufigeren Bewohner des Wattenmeers und besonders regelmäßig rund um Amrum anzutreffen. Sie haben sich perfekt an das Leben zwischen Land und Meer angepasst:

  • Ruhige Plätze für ein bewegtes Leben: Seehunde suchen regelmäßig ruhige Sandbänke und Strände wie den Amrumer Kniepsand auf, um sich auszuruhen. Hier finden essenzielle Lebensereignisse statt: Für Geburt, Jungenaufzucht, Fellwechsel und Paarung werden geschützte Stellen an Land aufgesucht. Trotz ihrer landbasierten Auszeiten verbringen sie aber den Großteil ihres Lebens im Wasser.
  • Atemberaubende Taucher: Seehunde sind wahre Tiefseetaucher – sie können bis zu 400 Meter tief und bis zu 35 Minuten lang tauchen. Beim Jagen fressen sie vor allem Fische, die sie in den küstennahen Gewässern der Nordsee finden.
  • Junge Schwimmer von Anfang an: Die kleinen Seehunde kommen im Juni zur Welt – direkt auf Sandbänken. Sie sind schon wenige Stunden nach der Geburt schwimmfähig und folgen ihren Müttern ins Wasser, wo sie bis zu acht Wochen gesäugt werden.

Zwischen 2003 und 2012 nahm die Seehund-Population kontinuierlich zu. Anschließend stagnierte der Bestand bis 2020, bevor ein rückläufiger Trend einsetzte. Die aktuellen Zahlen aus 2024 zeigen nun bereits das vierte Jahr in Folge mit sinkenden Seehundbeständen.

Die Gründe für den jüngsten Rückgang sind vielschichtig, jedoch bislang nicht eindeutig identifiziert. Verschiedene Faktoren werden diskutiert, die sowohl natürliche als auch vom Menschen verursachte Einflüsse umfassen:

  • Verschlechterung des Lebensraums: Das Wattenmeer, das für die Seehunde essenziell ist, wird zunehmend durch menschliche Aktivitäten gestört. Steigende Lärmbelastung, Küstenbau und erhöhte Besucherzahlen beeinträchtigen die Ruhephasen der Tiere.
  • Nahrungsmangel und Konkurrenz: Ein sinkendes Angebot an Fisch in der Nordsee, gekoppelt mit wachsender Konkurrenz durch die stärker werdende Kegelrobbenpopulation, setzt den Seehunden zusätzlich unter Druck.
  • Umweltbelastungen: Aktuelle Themen wie das LNG-Terminal vor Wilhelmshaven, das Lärmemissionen und Chloreinträge in die Umwelt bringt, könnten lokale Auswirkungen auf die Population haben. Auch Plastikmüll, insbesondere verschluckte Nylon-Angelschnüre, stellt ein zunehmendes Problem dar.
  • Übertourismus: Überfüllte Küsten und unachtsames Verhalten von Besuchern führen zu vermehrten Störungen, besonders an den wichtigen Ruheplätzen der Seehunde auf Sandbänken.

Im Gegensatz zu früheren Krisen, etwa den großen Seehundsterben in den 1980er und 2000er Jahren, sind Krankheiten und großflächige Abwanderungen aktuell nicht die Hauptursachen für den Rückgang. Dies macht die Situation besonders besorgniserregend, da sie auf anhaltende, strukturelle Probleme hinweist, die langfristig gelöst werden müssen.

Sandbank mit Seehunden
Sandbank mit Seehunden

Kegelrobben – Die Rückkehrer der Nordsee

Die Kegelrobben (Halichoerus grypus) hingegen galten bis ins Mittelalter als häufigste Robbenart im Wattenmeer, verschwanden aber durch Jagd und Lebensraumverlust fast vollständig. Doch seit Mitte des 20. Jahrhunderts feiern sie ein beeindruckendes Comeback – auch um Amrum.

  • Die größten Robben der Nordsee: Mit ihren langen Köpfen und kräftigen Körpern sind Kegelrobben imposanter als ihre Seehund-Nachbarn. Sie benötigen ungestörte, hochwasserfreie Plätze für die Aufzucht ihrer Jungen, verbringen aber ebenfalls viel Zeit im Wasser, um in küstennahen Gewässern zu jagen.
  • Wintergeburten auf Sandbänken: Im Gegensatz zu Seehunden werden Kegelrobbenjungtiere im Winter um den Neujahrstag herum geboren. Die kleinen Robben bleiben mehrere Wochen am Geburtsort, bis sie ihr weißes Embryonalfell verloren haben und bereit sind, ins Wasser zu wechseln. Als Faustregel gilt, dass die jungen Kegelrobben etwa 16 Tage an Land verweilen. Während dieser Zeit sind Artgenossen und Menschen die größte Gefahr für die jungen Kegelrobben. Während das Muttertier auf Futtersuche ist, wird das Jungtier auf dem Strand oder der Sandbank zurückgelassen. Achtung: Halten Sie gebührenden Abstand! In der Regel wird das Muttertier innerhalb einiger Stunden wieder zurückkehren. Männliche Kegelrobben tendieren dazu, Jungtiere zu töten, um die Paarungswilligkeit der Weibchen zu forcieren.
  • Erfolgsgeschichte der Kegelrobben: Während die Seehundpopulation rückläufig ist, zeigt die Kegelrobbenpopulation seit Jahrzehnten eine positive Entwicklung. Im Jahr 2021 wurden im Wattenmeer etwa 9.069 Kegelrobben während des Fellwechsels gezählt – eine wahre Erfolgsgeschichte für den Naturschutz.

Video: Kegelrobbe mit Nachwuchs auf dem Kniepsand

Im Januar 2025 hatte ich großes Glück: An der Nordspitze der Insel Amrum (Odde) konnte ich eine junge Kegelrobbe beobachten, die von Ihrer Mutter versorgt wurde!

Mein Video von der Odde. Folgt mir auf Youtube!

Gemeinsame Stars mit einzigartigen Rollen

Trotz ihrer Unterschiede teilen Seehunde und Kegelrobben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie sind Indikatoren für die Gesundheit der Nordsee. Der Zustand ihres Lebensraums – das Wattenmeer – spiegelt wider, wie gut wir Menschen dieses empfindliche Ökosystem schützen.

Ihre Liegeplätze sind dabei von größter Bedeutung. Störungen durch Touristenboote, Lärm oder Umweltverschmutzung können dazu führen, dass die Tiere ihre Ruheorte meiden – was ihre Gesundheit und Fortpflanzung beeinträchtigt. Gleichzeitig bedrohen Faktoren wie Überfischung, Meeresverschmutzung und Klimawandel ihre Nahrungsquellen.

Seehunde und Kegelrobben auf Amrum beobachten

Die weitläufigen Sandbänke und die unberührte Natur rund um die Insel bieten ideale Bedingungen für diese faszinierenden Meeressäuger. Ob bei einer Schiffstour, einem Spaziergang am Strand oder einer geführten Tour – es gibt viele Möglichkeiten, die Tiere in Ruhe zu beobachten und die Magie der Nordsee hautnah zu spüren.

Die Jungnamensand-Sandbank ist einer der besten Orte, um Seehunde und Kegelrobben zu entdecken. Diese Sandbank liegt etwa 2,4 Kilometer westlich des Amrumer Kniepsands und dient beiden Arten als wichtiges Rückzugsgebiet. Besonders beeindruckend ist, dass sich hier oft Seehunde und Kegelrobben nebeneinander ausruhen, ein seltener Anblick, der für viele Besucher ein unvergessliches Highlight ist.

Achtung: Unternehmen Sie keinesfalls auf eigene Faust Wanderungen in das Watt! Es besteht Lebensgefahr!

Ein weiteres beliebtes Beobachtungsgebiet sind die Seehundsbänke zwischen Amrum und Föhr, die vor allem bei Ebbe von zahlreichen Seehunden aufgesucht werden. Diese Tiere kommen hierher, um sich auszuruhen und aufzuwärmen, bevor sie wieder ins Wasser gleiten, um auf Nahrungssuche zu gehen. Auch der Kniepsand, Amrums riesige, sich ständig wandelnde Sandbank, wird regelmäßig von Seehunden und Kegelrobben genutzt. Die Tiere genießen die Weite und Ruhe, die dieser Ort bietet.

Die Amrumer Odde, die nördlichste Spitze der Insel, ist ein weiterer faszinierender Ort, um diese Meeressäuger zu beobachten. Hier kann man gelegentlich Seehunde und Kegelrobben entdecken, die sich in Strandnähe aufhalten, während sie sich von den Wellen umspülen lassen.

Wer eine besonders intensive Begegnung mit den Tieren sucht, sollte eine der Schiffstouren nutzen, die rund um Amrum angeboten werden. Die MS EILUN führt Fahrten „Rund um Amrum“ durch und steuert gezielt den Jungnamensand an, um den Gästen die Möglichkeit zu geben, die Tiere aus nächster Nähe zu sehen – natürlich mit dem nötigen Respektabstand. Auch die ADLER EXPRESS, die zwischen Sylt und Amrum verkehrt, passiert den Jungnamensand und bietet einen hervorragenden Blick auf die dort versammelten Robben. Für Seehunde sind außerdem spezielle Ausflugsfahrten zu den Sandbänken zwischen Amrum und Föhr empfehlenswert.

Doch auch vom Strand aus können Seehunde und Kegelrobben beobachtet werden. Besonders während der Wintermonate, wenn die Kegelrobben ihre Jungtiere zur Welt bringen, gibt es mit etwas Glück die Gelegenheit, die Tiere am Strand zu sehen. Der Kniepsand bei Norddorf und die Nordspitze der Amrumer Odde sind gute Orte, um in den Wintermonaten die Ruhe der Landschaft zu genießen und dabei nach den Meeressäugern Ausschau zu halten. Hier hatte ich auch im Januar 2025 eine glückliche Begegnung, wie in obigem Video zu sehen ist!

Wer sich tiefer in die Natur und das Leben der Seehunde und Kegelrobben einfühlen möchte, kann an einer geführten Tour teilnehmen. Der Verein Jordsand bietet zwischen April und Oktober Führungen an, bei denen Teilnehmer viel über die Tierwelt des Wattenmeers erfahren und mit ein wenig Glück auch Robben sichten können. Der Verein kümmert sich auch aktiv um den Schutz von Seehunden und Kegelrobben rund um Amrum. Eine Vereinsmitgliedschaft ist ab 50 € pro Jahr zu haben, auch über Spenden freut sich der Verein!

Es ist jedoch wichtig, die Tiere nicht zu stören. Seehunde und Kegelrobben sind streng geschützt und reagieren empfindlich auf Störungen. Besucher sollten stets ausreichend Abstand halten, insbesondere während der sensiblen Geburtenzeit der Kegelrobben im Winter. Ein Abstand von mindestens 300 Metern zu den Tieren ist notwendig, um ihre Ruhe nicht zu beeinträchtigen. Mit einem Fernglas oder einer Kamera mit Teleobjektiv lassen sich die Tiere hervorragend beobachten, ohne dass ihr natürlicher Lebensraum gestört wird.

Eine Begegnung mit Seehunden und Kegelrobben rund um Amrum ist ein besonderes Erlebnis, das die Schönheit und Einzigartigkeit der Nordsee greifbar macht. Es ist ein Moment, der uns an die Bedeutung erinnert, diese faszinierenden Tiere und ihren Lebensraum zu schützen. Ob auf einer Sandbank, bei einer Schiffstour oder am Strand – die Nähe zu diesen Meeressäugern bleibt unvergesslich.

Die Wächter des Wattenmeers

Seehunde und Kegelrobben sind die heimlichen Stars der Nordsee um Amrum. Sie verbinden uns mit der Ursprünglichkeit des Wattenmeers und zeigen, wie wichtig es ist, diese einzigartige Region zu schützen. Ihr Verhalten und ihr Bestand erzählen Geschichten über die Gesundheit der Natur – und fordern uns auf, ihre Welt zu bewahren.

Möchtest Du über die Wächter wachen? Die Seehundstation Friedrichskoog hat eine App dafür entwickelt. Über diese App kannst Du Sichtungen von Robben melden und so aktiv zum Schutz der Meeressäuger beitragen.

Wenn Du das nächste Mal die majestätische Kulisse der Nordsee genießt, halte Ausschau nach diesen faszinierenden Tieren – sie sind die lebendige Seele des Wattenmeers.

Robben auf einer Sandbank - von der Amrum Fähre aus gesehen
Robben auf einer Sandbank – von der Amrum Fähre aus gesehen

Inselheld

Inselfan und Autor dieser Insel-Seite. Jede freie Minute wird der schönsten Nebensache der Welt gewidmet - der Erkundung der schönsten Inseln.

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