Inseln der Seefahrer: Schifffahrt und Walfang auf den Nordfriesischen Inseln

Die Nordfriesischen Inseln, besonders Amrum, Sylt und Föhr, sind aus historischer Sicht stark mit der Seefahrt und dem Walfang verbunden. In diesem Artikel werde ich die bedeutende Rolle der Seefahrt in der Geschichte dieser Inseln beleuchten und einige der herausragenden Persönlichkeiten vorstellen, die diese maritime Tradition geprägt haben.

Seefahrt auf den Nordfriesischen Inseln Amrum, Föhr und Sylt – die Anfänge

Riesige Schwärme Hering tauchen vor Helgoland auf: Im 15. Jahrhundert beginnt die neuzeitliche Seefahrt in Nordfriesland. Eine Flotte von Fischern aus Dänemark und Holland macht sich auf, diesen neu entdeckten Schatz zu heben. Die Flotte will ausgestattet werden – mit Material und zuverlässigen Seefahrern. Die Inselbewohner bieten sich an – denn sie sind unerschrocken, mit dem Meer vertraut, Entbehrungen gewohnt und anspruchslos. Für niedrigen Sold heuern sie gleich scharenweise auf den Fischerbooten an. Die Netze sind noch aus schwerem Hanf, die Schiffe unhandlich und kaum hochseetauglich.

Ein wirtschaftlicher Kreislauf beginnt, der gleich mehrfach zu bescheidenem Wohlstand der bis dahin ärmlichen Inselbevölkerung beiträgt. Natürlich ist einerseits die Heuer der Seefahrer gemeint. Aber der gefangene Hering muss mittels Salz haltbar gemacht werden. Salz wird in verschiedenen Siedereien auf den Inseln gewonnen – alleine auf Amrum sind deren 3 bezeugt. In den Siedereien wird Torf verbrannt, die Asche enthält konzentriertes Salz, das dann recht einfach gewonnen werden kann – eine sehr wirtschaftliche Methode, reines Salz in großem Umfang zu gewinnen.

In früheren Zeiten bereitete man aus diesem Seetorf in Nordfriesland friesisches Salz. Am Ufer stellte man den getrockneten Torf in Haufen auf, verbrannte diese, laugte die Asche aus, und versott die Lauge in der Pfanne zu Salz; 800 Pfund Asche lieferten 300 Pfund Salz. Es gab solche Salzsiedereien in Eiderstedt, Fahretoft, Dagebüll,
Galmsbüll, Föhr u. a. 0.

Prometheus, 1892

So beginnt die Geschichte der neuzeitlichen Seefahrt auf den Inseln mit der Fischerei. Gleichsam entwickelt sich ein enges Verhältnis zu den großen umliegenden Hafenstädten, allen voran Hamburg. Denn der Hering wird hier zum Verkauf abgeliefert.

Dieser Boom dauerte einige Jahrhunderte an, bis die Heringsschwärme vor Helgoland gegen Ende des 16. Jahrhunderts ausblieben oder wegen kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Dänemark, Schweden und deutschen Fürstentümern sowie der Hanse nicht mehr befischt werden konnten – ein Schock für die hiesige Wirtschaft, da plötzlich auch das Salz keine Abnehmer mehr findet. Auch der 30-jährige Krieg fällt in diese Zeit.

Und dann passiert das unfassbare: Die „Grote Mandränke“ von 1634 verwüstet das gesamte Küstengebiet. Eine Sturmflut nicht gekannten Ausmaßes zerreißt ganze Landstriche, zerfrisst Inseln und bedeutet den Untergang – für einige Halligen ebenso wie für den legendären Ort Rungholt, der damals das wirtschaftliche Zentrum der Region bildet. Die Lebensgrundlage der Inselbewohner war von heute auf morgen verschwunden.

An der Katastrophe war der Raubbau am Torf mitschuldig: Das Land war durch die fortwährende Entnahme des Torfs instabil geworden und hatte sich stellenweise um mehrere Meter abgesenkt – leichtes Spiel für die wilden Fluten und den „blanken Hans“, die tosende See.

Der Walfang – Grönlandfahrt

Zur gleichen Zeit, etwa um das Jahr 1600, wird eine neue Ressource entdeckt: Auf Fahrten in Richtung Grönland und das damals noch unbekannte Spitzbergen wurde eine unerhörte Anzahl an Walfischen gesichtet. Wieder galt es, Flotten auszurüsten um diesen neuerlichen natürlichen Schatz zu heben. Der französische König verbot zeitgleich das Anheuern der ebenfalls zuverlässigen Basken auf den Schiffen. In Holland erinnerte man sich gerne an die Insulaner, die sich als hervorragende Mannschaften bewährt hatten. Und so begab sich die Inselbevölkerung wieder auf Tour, diesmal auf „Grönlandfahrt“.

Auf Grönlandfahrt
Auf Grönlandfahrt

Das Risiko war nun höher, denn der Wal wurde auf kleinen Schaluppen verfolgt und gestellt, bevor er dann langsseits an das Mutterschiff verbracht und dort von den „Speckschneidern“ zerlegt wurde. Manches Boot ist in dieser Auseinandersetzung mit dem Wal gesunken oder zerstört worden. Das Wetter im nördlichen Atlantik gilt obendrein als unberechenbar. Das Risiko wurde aber belohnt: Die Mannschaft wurde in bedeutender Höhe an den Gewinnen der Grönlandfahrten beteiligt. Die Beteiligung richtete sich nach dem Dienstgrad der Mannschaft. Während einfache Schiffsjungen und Bootsmänner einen recht geringen Anteil für sich verbuchen konnten, waren es die Steuermänner und Kommandeure, die einen gewaltigen Anteil am Fang für sich einnehmen konnten.

Mangels wirtschaftlichen Alternativen heuerte ein großer Anteil der Inselbevölkerung auf den Fangschiffen an. Für Föhr und Amrum ist bezeugt, dass zum Ende des 18. Jahrhunderts jeweils 80% der männlichen Bevölkerung im Walfang tätig war. Die Verantwortung für Haus und Hof ging somit an die Frauen über.

Hier betritt nun der erste schillernde Protagonist die Bühne: Pastor Petri erkennt schnell, dass er der darbenden Inselbevölkerung den Weg in die höheren Dienstränge ebnen und damit zu Wohlstand verhelfen konnte, indem er ihnen die Grundlagen der Navigation beibrachte. Er beschaffte sich entsprechende Bücher und Geräte, darunter Sextanten, Lote und Karten um sich mit der Navigationskunst vertraut zu machen, und eröffnete die erste Navigationsschule in seiner eigenen „guten Stube“. Während der Fangsaison waren die Seefahrer nun unterwegs, während der Zeit in der Heimat konnten sie bei Pastor Petri in die Schule gehen und sich so als Steuermänner oder gar Kommandeure qualifizieren. Kapitäne konnten sie nicht werden – dieses Privileg war den Bürgern der Hafenstädte vorbehalten, unter deren Flagge die Schiffe fuhren. Der Kommandeur war indes ein gleichbedeutender Rang.

Für die Teilnahme am Unterricht des Pastors gab es allerdings eine Bedingung: Die Teilnehmer sollten ihr Wissen selbst weitergeben und andere Burschen in ihrer Kunst unterrichten. Der Vollständigkeit sei gesagt, dass auch vor Pastor Petri bereits holländische Navigationsschulen auf einzelnen Inseln existiert haben. Dennoch fällt Pastor Petri entscheidende Bedeutung an jener Erfolgsgeschichte zu, die nun ihren Lauf nimmt.

Denn dieses Konzept geht auf: Schon bald rücken erste Insulaner in den Rang von Kommandeuren oder Steuermännern vor und bringen es zu fulminantem Wohlstand. Und sie halten ihr Versprechen und geben ihr praktisches Wissen an den Nachwuchs weiter. Schon bald eilt den Insulanern der Ruf voraus, nicht nur gute Seefahrer und Kameraden, sondern auch versierte Navigatoren zu sein. Bis heute bezeugen zahlreiche, prächtig behauene „sprechende Grabsteine“ auf Föhr, Amrum und Sylt vom Erfolg der Insulaner auf großer Fahrt rund um Grönland.

Auch der erfolgreichste Walfänger aller Zeiten, Matthias Petersen – der „glückliche Matthias“ lernte sein Handwerk in der Navigationsschule des Pastors Petri.

Biikebrennen – Abschiedsfeuer für die Walfänger

Zur Zeit des Walfangs wurde das Biikebrennen, das schon seit dem Mittelalter bezeugt ist, zum Abschiedsfest für die Walfänger umgewidmet. Denn die „Schmackschiffe“, die alle Seefahrer von den einzelnen Inseln abholten und sie den Schiffsflotten und somit den eigentlichen Fangschiffen zuführten zuführten, trafen ab Anfang März auf den Inseln ein. So wurde das traditionelle Feuer am 21. Februar zum rauschenden Abschiedfest.

Walfang – ein moralisches Dilemma

Wir tun uns heute schwer, den Walfang in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einzuschätzen und die Leistung der damaligen Mannschaften zu honorieren. Schließlich stand der Wahl in den 1990er Jahren kurz vor der Ausrottung, bevor internationale Fangverbote und eine Ächtung des Walfangs ihn schließlich retteten. Dies muss aber in einen Kontext gesetzt werden: Während der großen Zeit des Walfangs bis ca. 1900 wurden insgesamt knapp 300.000 Wale erlegt und verarbeitet – unter großen Risiken und Verlusten.

In der dann folgenden Periode von 1900 bis 1990 waren es fast 2,5 Millionen der prächtigen Lebewesen, die den neuen, industriellen Fangmethoden zum Opfer fielen. Meine Meinung daher: Der historische Walfang war eine Epoche von Heldenmut und ehrlicher Jagd, die nicht hoch genug geschätzt werden kann.

Die Handelsschiffahrt

Im Laufe des 19. Jahrhunderts gewann ein weiteres semännisches Gewerk schnell an Bedeutung: Die Handelsschifffahrt zwischen Europa, Amerika und Asien. Denn verschiedene Rohstoffe, darunter Salpeter, wurden in Südamerika gewonnen und versprachen hohe Gewinne. Das veränderte das Leben auf den Inseln grundlegend. Denn während die Walfänger nur für einen Teil des Jahres auf den Meeren der Welt unterwegs waren, dauerte die Fahrt der Handelsschiffe bis zu 10 Jahren. Die saisonale Wiederkehr der Männer blieb aus, die Nordfriesischen Inseln wurden zu Inseln der Frauen.

Das zog natürlich auswärtige Männer an: Bis heute bezeugen die Nachnamen auf den Inseln, dass eine Zuwanderung aus dem Hamburgischen einsetzte, während gleichzeitig viele Insulaner aufbrachen, um ihr Glück im fernen Amerika zu suchen, das ein angenehmeres Leben und schnellen Wohlstand versprach.

Mit der Gründung von Wittdün entstand dann eine neue Einnahmequelle: Der Tourismus setzte ein, Kurgäste boten ein einfaches Auskommen, das nicht die ständige Abwesenheit der Männer erforderte. So ging der Anteil der seefahrenden Inselbevölkerung schlagartig zurück – auch wenn bis heute einzelne Inselfamilien der Seefahrt verpflichtet sind.

Inselfriesen im Walfang: Berühmte Persönlichkeiten

Wie versprochen folgt nun eine Zusammenstellung der berühmtesten Inselfriesen aus der Zeit des Walfangs. Den Anfang macht der oben bereits erwähnte Pastor Petri. Von den Persönlichkeiten sind häufig nur rudimentäre Portraits oder gar keine Bilder überliefert. Mittels Generative AI habe ich versucht, den Personen neues Leben einzuhauchen. Die folgenden Bilder sind fiktional. Historische Ungenauigkeiten bitte ich dabei zu entschuldigen.

Pastor Richardus Petri

Richardus Petri, geboren 1597 in Dagebüll, war eine herausragende Persönlichkeit auf der Insel Föhr, dessen Einfluss weit über seine Zeit hinausreichte. Als Hauptprediger im Kirchspiel St. Laurentii im Westerland, wo er von 1620 bis zu seinem Tod 1678 wirkte, hinterließ er tiefe Spuren sowohl im spirituellen als auch im praktischen Leben der Inselbewohner.

Petri war nicht nur ein frommer und engagierter Geistlicher, sondern auch ein Pionier der nautischen Bildung in den Nordfriesischen Inseln. Er ist der erste namentlich bekannte Lehrer für Nautik in dieser Region und gilt als Begründer der Tradition von Navigationslehrern und -schulen auf Föhr und den Nachbarinseln. In einer Zeit, in der Seefahrt lebensnotwendig war und präzise Navigation über Leben und Tod entscheiden konnte, erkannte Petri die Bedeutung dieses Wissens für die Inselgemeinde.

Pastor Richardus Petri
Pastor Richardus Petri – so könnte er ausgehsehen haben

Mit leidenschaftlichem Eifer bot Richardus Petri den Seeleuten kostenlosen Unterricht in Mathematik, Astronomie und Nautik an. Seine Klassen waren oft gut besucht, und die Männer, die von ihm lernten, schätzten nicht nur das Wissen, das sie erwarben, sondern auch Petris charismatische und inspirierende Lehrweise. Er forderte von seinen Schülern ein bemerkenswertes Versprechen: Sie sollten später, wenn sie als Kommandeure oder Steuermänner auf den Meeren unterwegs waren, ihr Wissen ebenfalls unentgeltlich an die nächste Generation weitergeben. So pflanzte Petri nicht nur Wissen, sondern auch eine Kultur der Großzügigkeit und des gemeinsamen Fortschritts.

Richardus Petri war tief verwurzelt in seiner Familie und seiner Gemeinde. Sein Vater, Petrus Richardi (auch bekannt als Rickwartsen), war Pastor in Dagebüll, und die geistliche Berufung lag offensichtlich in der Familie. Richardus heiratete Elen Frödden, die Tochter von Fröd Olufs von Amrum, und das Paar hatte drei Söhne. Jeder von ihnen trat in die Fußstapfen ihres Vaters und wurde ebenfalls Geistlicher: Petrus Richardi diente als Pastor auf Oland, Christian Richardi als Diakon in St. Laurentii in Süderende, und Bartholomäus Richardi folgte seinem Vater als Pastor der Gemeinde St. Laurentii.

Petri lebte in einer turbulenten Zeit, geprägt von den ständigen Herausforderungen des Lebens an der Küste: Stürme, Überschwemmungen und die Gefahren der Seefahrt. Dennoch war er eine Leuchtfigur, deren Engagement für Bildung und Gemeinwohl die Insel Föhr prägte und deren Einfluss bis heute nachhallt. Seine Leidenschaft und sein unermüdlicher Einsatz machten ihn zu einer lebendigen Legende, die die Herzen und Köpfe der Menschen bewegte und das Fundament für zukünftige Generationen legte.

Matthias Petersen – der glückliche Matthias

Matthias Petersen, bekannt als „Der Glückliche Matthias“, wurde als Matz Peters am 24. Dezember 1632 in Oldsum auf der nordfriesischen Insel Föhr geboren. Er war ein bemerkenswerter Kapitän und Walfänger, der während seiner Karriere unglaubliche 373 Wale erlegte und dadurch zu großem Wohlstand gelangte. Sein Ruhm und sein Wohlstand waren so bedeutend, dass er zu Lebzeiten den Beinamen „Der Glückliche“ mit Zustimmung aller annahm, wie es auf seiner steinernen Grabplatte auf dem Friedhof der Kirche St. Laurentii in Süderende verewigt ist.

Seine seemännische Ausbildung erhielt Matthias Petersen an der Navigationsschule, die der visionäre Pastor Richardus Petri in Süderende eingerichtet hatte. Bereits im jungen Alter von zwanzig Jahren übernahm er das Kommando über ein Walfangschiff, eine Position, die er mit Bravour für die nächsten fünfzig Jahre innehatte. Die sogenannten „Baienfischerei“ in den Buchten Spitzbergens trug maßgeblich zu seinem frühen Erfolg bei, da diese Jagdmethode es den Walfängern ermöglichte, innerhalb kurzer Zeit große Mengen an Walen zu erlegen. Als die Walbestände in diesen Gewässern erschöpft waren, mussten die Walfänger auf die offene See ausweichen, was weniger einträglich und gefährlicher war. Doch Petersen profitierte von seiner langen Erfahrung und bewies immer wieder seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Seefahrer.

Matthias Petersen - der glückliche Matthias
Matthias Petersen – der glückliche Matthias. So könnte er ausgesehen haben.

1677 stifteten Matthias und sein Bruder der Gemeinde St. Laurentii zwei prächtige Kronleuchter aus Messing, die bis heute in der Kirche verwendet werden und an die Großzügigkeit und den Erfolg der Familie erinnern. Sein Leben war jedoch nicht frei von Dramen und Herausforderungen. Zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahr 1701 wurde Petersens ältester Sohn Matz von einem französischen Kaper entführt und nach St. Malo verschleppt, konnte aber gegen Lösegeld freigekauft werden. Ein Jahr später erlebte Matthias Petersen auf seiner letzten Reise selbst die Geißel der Piraterie: Er und seine Mannschaft wurden von Franzosen aufgebracht und mussten sich für die immense Summe von 8000 Reichstalern freikaufen. In demselben Jahr fielen seine Söhne Ock und John im Kampf gegen französische Seeräuber.

Matthias Petersen vermachte der Kirchengemeinde testamentarisch 100 Goldtaler, doch diese wurden von den Erben nicht ausgezahlt. Nach jahrelangen Bemühungen der Kirchengemeinde, den Betrag zu erhalten, wurde das Grab des 14 Jahre zuvor in der Kirche bestatteten Matthias kurzerhand auf den Friedhof verlegt, wo sein Grabstein bis heute zu sehen ist.

Matthias Petersen war seit 1663 mit Inge Matthiessen verheiratet, mit der er zwölf Kinder hatte, von denen vier im Kleinkindalter starben. Seine überlebenden Kinder erhielten eine umfassende Ausbildung, die es ihnen ermöglichte, bedeutende Positionen zu erreichen. So wurde sein Sohn Clement Prediger in Schwesing und Peter Matthiesen nach einem Studium Landvogt von Osterland Föhr und Sylt sowie Gerichtsvogt von Wyk auf Föhr. Petersens Nachfahren setzten das Erbe fort, indem sie in bedeutenden Positionen in Kirche und Verwaltung dienten und die Geschichte der Familie weiterprägten.

Einer seiner bemerkenswerten Nachfahren war der US-amerikanische Autor und Umweltschützer Peter Matthiessen, der in den späten 1980er Jahren Föhr besuchte, um auf den Spuren seiner Vorfahren zu wandeln. Seine Erkundungen und die beeindruckende Familiengeschichte hinterließen einen bleibenden Eindruck und zeugten von der anhaltenden Bedeutung des Erbes von Matthias Petersen, dem „Glücklichen Matthias“.

Jacob Flor, Amrum

Jacob Martin Flor, geboren am 27. Oktober 1633, war ein bemerkenswerter Kapitän und Walfänger, der trotz seines kurzen Lebens eine bedeutende Spur hinterließ. Als Sohn des Pastors Martin Flor wuchs er in einer Umgebung auf, die von Glauben und Entschlossenheit geprägt war. In der ersten Ehe mit Gundel Girres erlebte er bereits früh Tragik, als sie 1654 bei der Geburt ihres ersten Kindes, Poppe, verstarb.

Flor fand jedoch erneut Liebe und heiratete Jung Ehlen Ocken von der Insel Föhr. Das Paar zog nach Föhr und hatte drei Kinder. Flor war fest entschlossen, seinem Leben und seiner Familie Wohlstand zu sichern. Von 1662 bis 1672 führte er das Hamburger Walfangschiff „St. Jacob“ und erbeutete in diesen Jahren insgesamt 20 Wale. Diese Tätigkeit war nicht nur gefährlich, sondern auch äußerst anstrengend, und Flor zeigte beachtliche Fähigkeiten und Mut in seiner Rolle als Kommandeur.

Jacob Flor aus Amrum
Jacob Flor aus Amrum – so könnte er ausgesehen haben

Leider war seine Zeit als Kapitän von gesundheitlichen Problemen überschattet. 1672 musste er krankheitsbedingt das Kommando über das Schiff an seinen Bruder Johann Flor übergeben. Trotz seiner Tapferkeit und seiner Erfolge auf See verstarb Jacob Flor kurz darauf. Es wird berichtet, dass er bei der Ausfahrt krank wurde und entweder auf der Elbe oder der Nordsee verstarb. Sein Leichnam wurde nach Amrum gebracht, wo er wahrscheinlich in der Kirche neben seinem Vater beigesetzt wurde.

Bei Renovierungsarbeiten im Jahr 1936 wurde seine Grabplatte am Nordausgang der Kirche gefunden, wo sie lange als Bodenplatte gedient hatte. Jacob Flor war nicht nur ein mutiger Kapitän, sondern auch ein großzügiger Unterstützer seiner Gemeinde. Er spendete einen der Kronleuchter in der Kirche, ein Symbol seines Engagements und seines Erbes.

Jacob Flor ist eine zentrale Figur in der Geschichte der Föhrer Familie Flor. Seine Nachkommen haben in einer Chronik festgehalten, dass nahezu jede Familie auf Föhr in irgendeiner Linie auf die Familie Flor zurückzuführen ist. Sein Leben und seine Taten, ob auf See oder in der Gemeinde, sind ein leuchtendes Beispiel für Mut, Hingabe und den unermüdlichen Geist der nordfriesischen Seefahrer.

Boh Carstens, Amrum

Boh Carstens, ein herausragender Kapitän und Walfänger des 17. Jahrhunderts, wurde bekannt für seine beeindruckenden Leistungen auf See und sein Engagement für die Gemeinschaft. Geboren als Sohn von Carsten Her Tage, auch bekannt als Carsten Tückes, führte er die Familientradition der Seefahrt fort und hinterließ ein bemerkenswertes Erbe.

Carsten Her Tage war der Sohn von Pastor Tycho Frödden, der von 1574 bis 1630 amtierte. Carsten verstarb am 20. Januar 1678, nur drei Jahre bevor sein Sohn Boh am 24. Februar 1681 im Alter von 47 Jahren ebenfalls starb. Vater und Sohn teilen sich eine gemeinsame Grabplatte, die 1928 bei der Neugestaltung der Friedhofswege wiederentdeckt wurde. Diese Platte, die älteste erhaltene auf dem Friedhof, zeugt von ihrem gemeinsamen Erbe und den prägenden Einflüssen ihres Lebens.

Boh Carstens‘ Karriere als Seefahrer war beeindruckend. Zwölf Jahre lang, von 1666 bis 1678, führte er Hamburger Walfangschiffe, darunter die „St. Jan Evangelist“ und „De Abraham“. Seine glücklichen Heimkehrten aus den gefährlichen Gewässern des Nordmeeres veranlassten ihn, seiner Kirche 1671 einen prächtigen Kronleuchter zu stiften. Die Inschrift auf diesem Leuchter drückt seine Dankbarkeit für die göttliche Gnade und den Schutz während seiner Reisen aus.

Doch das Leben von Boh Carstens war nicht frei von persönlichen Tragödien. Er verlor zwei Ehefrauen, Geeske und Ween, beide kaum zwanzig Jahre alt, jeweils bei der Geburt ihres ersten Kindes. Diese schmerzhaften Verluste sind auf einer weiteren Grabplatte am nordwestlichen Friedhofswall verewigt. Mit Geeske war er 45 Wochen verheiratet, mit Ween 94 Wochen. Trotz dieser Schicksalsschläge fand Boh erneut Liebe und heiratete Marret Boh Namens. Mit ihr hatte er drei Kinder: einen Sohn, Ricklef Bohn, und zwei Töchter, Gesche und Wehn, benannt nach seinen ersten beiden Ehefrauen.

Boh Carstens von Amrum
Boh Carstens von Amrum – so könmnte er ausgesehen haben.

Marret war eine bemerkenswerte Frau, bekannt für ihre Schönheit und ihren Stolz. Ihr Leben war jedoch nicht ohne Skandale. Es wurde gemunkelt, dass sie eine gewisse Beziehung zum Hilfsprediger Jacob Boetius hatte, was Boh dazu veranlasste, sie zu ihrem Vater zurückzubringen und eine ordentliche Erziehung zu fordern. Dennoch kehrte sie zurück und setzte das Leben mit Boh fort.

Nach Boh Carstens‘ frühem Tod heiratete Marret erneut, diesmal Nahmen Peters, und hatte mit ihm weitere drei Kinder. Sie lebte bis 1740 und erreichte das für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Alter von rund 90 Jahren.

Die Geschichte von Boh Carstens ist eine bewegende Mischung aus Erfolg und Verlust, Tapferkeit und Trauer. Sein Beitrag zur Seefahrt und sein Engagement für seine Gemeinde leben durch die Kronleuchter in der Kirche und die Geschichten seiner Nachfahren weiter. Seine Grabplatte an der Ostwand der Kirchenmauer erzählt von seinem Leben und seinem Erbe als ein großer Kapitän und ein Mann, der trotz vieler persönlicher Verluste stets seine Pflicht erfüllte und sein Vermächtnis in die Zukunft trug.

Harck Nickelsen, Amrum

Harck „Henrik Cornelis“ Nickelsen, geboren am 12. Oktober 1706 in Süddorf, Amrum, erlebte ein Leben voller Dramatik, Herausforderungen und außergewöhnlichem Erfolg. Bereits in jungen Jahren wurde er zusammen mit seinem Vetter Harck Olufs von Piraten gefangen genommen und auf dem Sklavenmarkt in Algier verkauft. Drei Jahre lang diente er als Kaffeeschenker am Hof des Dey, bevor er schließlich durch die Vermittlung portugiesischer Mönche freigekauft wurde.

Trotz dieser traumatischen Erfahrungen fand Harck Nickelsen seinen Weg zurück ins Leben und zur See. Im Jahr 1737 heiratete er seine Cousine Marret, eine Halbschwester seines Vetters. Obwohl die Ehe kinderlos blieb, war sie ein Zeichen der familiären Verbundenheit und Unterstützung. Nickelsen setzte seine Karriere als Kapitän fort und wurde zu einem der erfolgreichsten und reichsten Männer Nordfrieslands.

Von 1740 bis 1749 war Harck Nickelsen als Sklavenkapitän auf der „Vesuvius“ tätig. Er kommandierte einige der modernsten und schnellsten Schiffe der Kompanie und erwirtschaftete durch den Sklavenhandel auf der Westindienroute enormen Reichtum. Er trotzte zahlreichen Gefahren, von Seuchen und Piraterie bis hin zu den gnadenlosen Bedingungen auf hoher See. Während dieser Zeit wurde er für seinen fairen Umgang mit den Sklaven von seiner Kompanie besonders gelobt, was in jener Zeit außergewöhnlich war.

Harck Nickelsen von Amrum
Harck Nickelsen von Amrum – so könnte er ausgesehen haben

1749 zog sich Nickelsen als reicher Mann nach Amrum zurück. Die Steuerlisten der Insel dokumentieren ihn als den mit Abstand wohlhabendsten Bürger. Selbst die dänische Krone soll von ihm Kredite erhalten haben, was seine immense finanzielle Macht unterstreicht. Sein Reichtum ermöglichte ihm, vielen Amrumern Kleinkredite zu gewähren, wodurch er Neid und Missgunst in der Gemeinde minimierte.

Harck Nickelsens Grabstein auf dem Friedhof von Nebel ist einer der größten und kunstvollsten auf der Insel. Er zeugt von einem Leben, das von großen Erfolgen, aber auch von tiefen Prüfungen geprägt war. Nach seinem Tod am 24. Mai 1770 hinterließ er ein beträchtliches Vermögen, das seiner Frau Marret ein komfortables Leben ermöglichte. Sie lebte bis 1740 und erreichte das außergewöhnliche Alter von rund 90 Jahren.

Nickelsens Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Vielseitigkeit und den Mut der nordfriesischen Seefahrer. Trotz der dunklen Kapitel des Sklavenhandels und der eigenen Gefangenschaft bewies er Resilienz und unternehmerisches Geschick. Sein Leben ist ein faszinierendes Kapitel der Geschichte, das zeigt, wie ein Mensch trotz widriger Umstände Erfolg und Einfluss erlangen kann.

Literatur

Die Informationen in diesem Artikel sind so sorgfältig wie möglich recherchiert. Dazu wurden folgende Quellen verwendet:

Von Walen und Menschen – Eine Reise durch die Jahrhunderte
Von Andreas Tjernshaugen · 2019

Der erfolgreichste Walfänger der Nordfriesen: Matthias der Glückliche und seine Zeit
Von Uwe Steffen · 2004

Der Historische Walfang der Nordfriesen: Das Jahr der Wal- und Robbenjäger
Von Berend Harke Feddersen · 1991

Auf Walfang
Von Doris Tillmann, Timo Erlenbusch · 2010

Georg Quedens: „Fall överall!!“ Amrumer Grönlandfahrt auf Walfang und Robbenschlag.
Quedens, Amrum 2002, ISBN 978-3-924422-67-7.

Geschichten des Nordens: Märchen – Sagen – Gedichte – Zeitgeschichte
Von Holger Krohn · 2018

Lebensbeschreibung eines Alten Seemannes
Von Eschels · 1835

Online-Quellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Rungholt

https://de.wikipedia.org/wiki/Biikebrennen

https://www.landundmeer.de/Artikel/6323/Die-Nordfriesen-und-der-Walfang

https://de.wikipedia.org/wiki/Richardus_Petri

Inselheld

Inselfan und Autor dieser Insel-Seite. Jede freie Minute wird der schönsten Nebensache der Welt gewidmet - der Erkundung der schönsten Inseln.

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