Stille Nacht oder Knaller-Chaos? Das Tauziehen um das Böllerverbot auf Amrum

Amrum, im Dezember 2025 – Wenn die Nordseebrise auf den Duft von Schwarzpulver trifft, verstehen die Insulaner keinen Spaß. Seit Jahrzehnten ist die Sache auf Amrum eigentlich klar: Wer zündelt, zahlt: Böllerverbot. Doch kurz vor dem Jahreswechsel 2025 sorgte ein juristischer Paukenschlag für helle Aufregung im Wattenmeer. Zwischen Reetdach-Idylle und Gerichtssaal entbrannte ein Streit, der fast die gesamte Tradition der „stillen Insel“ gesprengt hätte.

Das Erbe der achtziger Jahre

Man muss die Architektur der Insel verstehen, um den Konflikt zu begreifen. Ein Reetdach ist nicht nur eine pittoreske Bedachung, sondern ein hochbrennbares Kulturgut. Seit 1981 herrscht auf Amrum deshalb ein Konsens, der fast schon sakrosankt wirkte: Privates Feuerwerk ist tabu. Wer hier gegen die Verordnung verstieß, galt nicht als Partykönig, sondern als Gefährder des dörflichen Friedens.

Doch das Jahr 2025 sollte eine Zäsur markieren. Das Amt Föhr-Amrum strebte eine neue Form des Böllerverbotes an. Ein lückenloses Komplettverbot, das nicht nur das Zünden, sondern bereits das Mitbringen von Feuerwerk untersagen sollte. Ein ambitionierter Versuch, die Insel zur absoluten Schutzzone zu erklären – gestützt auf das Landesimmissionsschutzgesetz.

Nun ist die Krux des Rechtsstaates, dass auch gute Absichten an der Zuständigkeit scheitern können. Ein klagender Feuerwerkshändler zwang die Behörden vor das Oberverwaltungsgericht Schleswig. Und die Richter im fernen Schleswig urteilten im Dezember 2025 mit einer Nüchternheit, die manchen Insulaner frösteln ließ: Das Landesrecht reiche für einen so tiefgreifenden Eingriff in die Freiheit der Bürger nicht aus. Feuerwerk, so das Verdikt, unterliegt dem Sprengstoffrecht des Bundes.

Damit war das „Super-Verbot“ kurz vor der Ziellinie vorläufig gekippt. Für einen Moment schien es, als würde die jahrzehntelange Tradition des Amrumers Silvesterfriedens einer juristischen Leerstelle zum Opfer fallen. Ein Sieg der Form über den Inhalt?

Die Rückkehr zur friesischen Pragmatik

Doch wer die Nordfriesen kennt, weiß, dass sie auf Windstille oft mit geschicktem Kreuzen reagieren. Anstatt in Schockstarre zu verharren, besann sich das Amt auf die bewährten Instrumente der Vergangenheit. Wenn das neue, umfassende Verbot juristisch zu großspurig war, so blieb doch das solide Fundament des Bundesrechts.

Kurzerhand wurde eine Allgemeinverfügung erlassen, die sich auf das Sprengstoffgesetz stützt. Das Ergebnis ist eine Rückkehr zur gewohnten Ordnung: Das Abbrennen von Raketen und Böllern bleibt in der Nähe brandempfindlicher Gebäude verboten. Da Amrum jedoch geografisch so dicht mit Reethäusern besiedelt ist, dass kaum ein Fleck Erde die geforderten Sicherheitsabstände zum nächsten Dach einhalten könnte, läuft die Regelung faktisch auf das hinaus, was sie seit 1981 war: Ein Verbot durch die Hintertür der Vernunft.

Ein Himmel ohne fremdes Licht

Was bleibt von diesem juristischen Geplänkel? Am Ende wohl die Erkenntnis, dass sich die Sicherheit einer Insel nicht allein durch neue, strengere Verordnungen regeln lässt, sondern durch den gelebten Konsens ihrer Bewohner und Gäste.

Wenn in wenigen Tagen das Jahr 2025 zu Ende geht, wird der Himmel über dem Kniepsand dunkel bleiben. Kein Schwefelgeruch wird die salzige Luft verdrängen, keine Rakete die Sicht auf die Sterne stören. Es ist ein Sieg der friesischen Beharrlichkeit über die juristische Komplexität. Amrum bleibt sich treu – nicht wegen, sondern trotz der Paragrafen.

Seit wann gilt das Böllerverbot?

  • Auf Amrum ist das private Abbrennen von Feuerwerk wegen der Brandgefahr für Reetdachhäuser bereits seit 1981 generell verboten; bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 10.000 Euro.
  • Auf Sylt gilt ein generelles Verbot privaten Feuerwerks seit über 40 Jahren, ebenfalls vor allem wegen der Reetdächer und des Natur- und Brandschutzes; dort können Bußgelder bis zu 50.000 Euro verhängt werden.
  • Auf Föhr gab es bislang nur räumlich begrenzte Abbrennverbote (z.B. nicht in der Nähe von Reetdachhäusern), während ein umfassendes Komplettverbot für Silvester/Neujahr (inklusive Verkaufs- und Verbringungsverbot von F2-Feuerwerk) erst 2025 eingeführt werden sollte.

Was war konkret für 2025 geplant?

  • Das Amt Föhr-Amrum und der lokale Einzelhandel hatten sich Mitte März 2025 darauf geeinigt, dass auf Föhr keine Feuerwerkskörper der Kategorie F2 mehr verkauft und auch nicht auf die Insel gebracht werden sollten.
  • Die entsprechende Verordnung des Amtes sah ein Komplettverbot für privates Feuerwerk der Kategorie F2 (Raketen, Böller, Batterien) am 31. Dezember und 1. Januar auf Föhr und Amrum vor und stützte sich auf das Landesimmissionsschutzgesetz.
  • Ziel war ein einheitlich strikt böllerfreies Silvester aus Gründen des Brand-, Tier- und Umweltschutzes, nachdem Amrum und Sylt schon länger sehr weitgehende Verbote kannten und Föhr nun nachziehen wollte.

Warum wurde das Verbot vorläufig gekippt?

  • Ein Unternehmen, das Feuerwerkskörper verkauft, klagte gegen die Verordnung und stellte zudem einen Eilantrag, weil bis Silvester nicht mehr viel Zeit blieb.
  • Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Schleswig setzte mit Beschluss vom 9. Dezember 2025 das Komplettverbot in einem Eilverfahren außer Vollzug; der Beschluss ist unanfechtbar.
  • Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das herangezogene Landesimmissionsschutzgesetz keine ausreichende Rechtsgrundlage für ein derart umfassendes Feuerwerksverbot biete; derartige Verbote fielen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Sprengstoffrecht.

Warum könnte das Verbot (dauerhaft) gekippt werden – und was passiert jetzt?

  • Nach Auffassung des OVG existiert für ein generelles Komplettverbot in Landes- oder Kommunalregie keine tragfähige Rechtsgrundlage, solange der Bund das Sprengstoffrecht nicht anpasst.
  • Zur Gefahrenabwehr gebe es bereits umfangreiche bundesrechtliche Regelungen (Sprengstoffgesetz/Sprengstoffverordnung), etwa Verbote in der Nähe besonders brandempfindlicher Gebäude; darauf könne man sich stützen, aber nicht auf das Landesimmissionsschutzgesetz für ein totales Inselspezialverbot.
  • Die Hauptsacheverhandlung (Az. 5 KN 1/25) wird nach Angaben des Gerichts nicht mehr vor dem Jahreswechsel stattfinden; damit bleibt offen, ob das Komplettverbot in der ursprünglichen Form überhaupt Bestand haben kann.

Aktueller Stand auf den nordfriesischen Inseln

  • Föhr & Amrum: Das vom Amt Föhr-Amrum geplante Komplettverbot wurde im Eilverfahren gekippt; das Amt reagierte jedoch inzwischen mit einer Allgemeinverfügung auf Bundesrechtsbasis (Sprengstoffrecht), die – wie in früheren Jahren – wieder ein Abbrennverbot für F2-Feuerwerk an Silvester und Neujahr vorsieht, fokussiert auf besonders gefährdete Bereiche.
  • Sylt: Hier gilt weiterhin ein generelles Verbot privaten Feuerwerks; zudem bestehen auf dem Festland (Nordfriesland/St. Peter-Ording) ebenfalls strenge Abbrennverbote im Umkreis von Reetdachhäusern.
  • Weitere Inseln/Halligen: Teilweise gelten zonierte Verbotsbereiche (z.B. bestimmte Entfernungen zu reetgedeckten Gebäuden oder Warften), die auf bundesrechtliche Sprengstoff-Regelungen gestützt werden und nicht vom aktuellen OVG-Beschluss betroffen sind.

Die Allgemeinverfügung des Amtes Föhr-Amrum vom 19. Dezember 2025

Die Allgemeinverfügung des Amtes Föhr-Amrum vom 19. Dezember 2025 ist die unmittelbare Antwort auf das OVG-Urteil. Da das flächendeckende Verbot auf Landesrechtsbasis gekippt wurde, nutzt das Amt nun die präzisen Instrumente des Bundesrechts, um die Sicherheit der Insel zu gewährleisten.

Hier sind die entscheidenden Kernpunkte und Formulierungen der Verfügung zusammengefasst:

1. Die rechtliche Basis

Die Verfügung stützt sich nun explizit auf § 24 Abs. 2 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV). Diese Norm erlaubt es Kommunen, das Abbrennen von Pyrotechnik in der Nähe von besonders brandempfindlichen Gebäuden zu untersagen.

2. Das Kernverbot

  • Zeitraum: Das Verbot gilt für den 31. Dezember 2025 und den 1. Januar 2026.
  • Gegenstand: Untersagt ist das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 (klassisches Silvesterfeuerwerk wie Raketen, Batterien und Böller).
  • Räumlicher Geltungsbereich: Das Verbot gilt in unmittelbarer Nähe von brandempfindlichen Gebäuden und Anlagen. Da auf Amrum die Dichte an Reetdachhäusern extrem hoch ist, deckt dieses Abstandsgebot faktisch fast das gesamte besiedelte Inselgebiet ab.

3. Zusätzliche Schutzgüter (Naturschutz)

Die Verfügung verweist ergänzend auf das Bundesnaturschutzgesetz (§§ 23, 44 BNatSchG). Da große Teile Amrums Naturschutzgebiete sind, ist dort jede Handlung untersagt, die zu einer nachhaltigen Störung führen kann. Dies betrifft insbesondere:

  • Die Störung wildlebender Vogelarten während der Überwinterung.
  • Das Verbot gilt somit auch für die Dünen- und Strandbereiche, die an Naturschutzzonen grenzen.

4. Flankierende Maßnahmen

  • Beförderungsverbot: Das Amt weist ausdrücklich auf die Beförderungsbedingungen der Wyker Dampfschiffs-Reederei (WDR) hin. Laut § 7 Abs. 1 ist die Mitnahme von explosiven Stoffen (und damit Feuerwerk) auf den Fähren grundsätzlich untersagt.
  • Verkaufsverzicht: Der lokale Einzelhandel auf Föhr und Amrum hat sich im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung dazu verpflichtet, keine Feuerwerkskörper der Kategorie F2 anzubieten.

5. Konsequenzen bei Verstößen

Das Amt betont, dass Verstöße als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Es drohen Geldbußen von bis zu 10.000 Euro. Um die Sicherheit unmittelbar zu gewährleisten, wurde die sofortige Vollziehung angeordnet – ein Widerspruch gegen die Verfügung hat also keine aufschiebende Wirkung für die Silvesternacht.

Zusammengefasst: Die neue Verfügung erreicht durch die Kombination aus Brandschutzabständen (Sprengstoffrecht) und Naturschutzvorgaben faktisch dasselbe Ziel wie das gekippte Komplettverbot: Amrum bleibt eine böllerfreie Zone.

Inselheld

Inselfan und Autor dieser Insel-Seite. Jede freie Minute wird der schönsten Nebensache der Welt gewidmet - der Erkundung der schönsten Inseln.

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