Die Tagespresse berichtete kürzlich darüber: Entlang der Nordseeküste sind erneut zahlreiche Pottwale gestrandet. Offenbar gerieten die Wale orientierungslos in direkte Nähe der Küste und konnten sich nicht retten.
Was ist die Ursache für das Stranden der mächtigen Tiere?
Die Fachwelt ist sich nicht abschließend einig darüber, welcher Grund für das Stranden verantwortlich ist. Folgende Ursachen stehen im Fokus der aktuellen Untersuchungen:
Krankes Leittier
Wale sind Herdentiere und werden von einem Leittier geführt. Diesem Leittier folgen stets alle Tiere der Gruppe. Die Walgruppe wird Schule genannt. Verliert das Leittier die Orientierung, so führt es die gesamte Schule in das Verderben.
Wechselnde Winde
Wale folgen während der Nahrungssuche gerne Strömungen, in denen sich zahlreiche Lebewesen tummeln, die dem Wal einfache Beute verheißen. Strömungen werden jedoch stark durch Winde beeinflusst. Bei bestimmten Windkonstellationen ist eine küstennahe Strömung die Folge. Dadurch werden die Beutetiere der Wale in flache Gewässer abgedrängt und folgen plötzlich ganz neuen Routen. Besonders der Pottwal als Jäger folgt diesen Beutetieren. Das Wattenmeer mit seinen stark ausgeprägten Gezeiten wird dann schnell zur Falle, wenn die Tiere die Gefahr nicht rechtzeitig erkennen.
Sandbänke und das Magnetsystem
Über den Orientierungssinn der Wale wird noch gestritten. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass Wale sich sowohl ähnlich der Zugvögel am Magnetsystem der Erde orientieren, als auch per Klicklaut Schallwellen erzeugen, die nach Art eines Sonars genutzt werden, um sich am Meeresgrund zu orientieren. Flache Sandbänke und Schlick lenken die Schallwellen ab und geben ein undeutliches Echo, so dass die Wale nur schwerlich in der Lage sind, sie korrekt zu interpretieren. Entlang der Nordseeküste stranden die Meeressäuger daher häufig auf Sandbänken.
Das Magnetsystem ist zudem in direkter Küstennähe häufig Schwankungen und Störungen unterworfen. Unerfahrene Tiere, die das störungsfreie Leben auf hoher See gewohnt sind, können so leicht die Orientierung verlieren. An der Nordseeküste stranden fast ausschließlich Walbullen – denn nur die männlichen Tiere nehmen die weiten und gefährlichen Wanderungen zwischen den Paarungsgebieten in Kauf und durchqueren dabei auch ihnen völlig unbekannte Gewässer.
Dazu kommen auch solare Einflüsse – Sonnenwinde verändern das Magnetfeld der Erde, so dass eine darauf basierende Orientierung punktuell erschwert wird.
Unterseeischer Lärm
Die Weltmeere sind zunehmend Lärm ausgesetzt. Militärische Schiffe, Forschungseinheiten, Bohrinseln – die Lärmquellen sind allgegenwärtig. Sehr lauter Schall kann das empfindliche Orientierungssystem der Wale stören und außer Kraft setzen.
Walstrandungen seit dem Mittelalter dokumentiert
Wahrscheinlich ist nicht eine einzelne Ursache hinreichend verantwortlich für das Stranden der Wale. Dagegen spricht auch, dass Walstrandungen seit dem Mittelalter dokumentiert sind – zu einer Zeit also, in der zivilisatorische Umwelteinflüsse nur eine untergeordnete Rolle im globalen Ökosystem gespielt haben. Auch ist die Menge der gestrandeten Wale nicht überproportional gestiegen.
Die möglichen Ursachen für die Walstrandungen sind also vielschichtig – und nicht alle sind von Menschen gemacht. Das kann aber keine Entschuldigung für die zunehmende Lärmverschmutzung der Meere sein!