Hark Olufs – Seefahrer, Sklave, Held

Im Jahre 1724 verließ ein Handelsschiff aus Hamburg den Hafen von Nantes. Nach zwei Tagen Fahrt in östlicher Richtung kaperten algerische Piraten das Schiff. Die Ladung wurde übernommen und alle überlebenden Besatzungsmitglieder entführt – darunter auch der damals 16-jährige Hark Olufs aus Amrum.

Hark Olufs wurde 1708 geboren und war der Sohn eines Amrumer Schiffseigners. Seine Mutter verstarb im Wochenbett, seinen älteren Bruder überraschend in der frühen Jugend. Wie damals auf der Insel Amrum üblich, fuhr Hark Olufs seit seinem 14. Lebensjahr zur See.

Amrumer Seefahrer in aller Welt

Für die Insulaner stellte die Seefahrt über Jahrhunderte den wichtigsten Wirtschaftszweig dar. Die Insel war karg und ließen sich kaum bewirtschaften, Handelsschifffahrt und Walfang verhießen ein erträgliches Auskommen. Das Risiko war allerdings hoch: Krankheiten an Bord, unberechenbares Wetter und Piraten waren nur einige der Gefahren, die auf See lauerten. Entsprechend viele Opfer waren unter den Söhnen der Insel zu beklagen. Ein Pastor ließ nach Antritt seines Amtes auf der Insel verlauten, er habe niemals eine Gesellschaft mit so vielen Witwen und Waisen betreut wie auf Amrum. Es war also durchaus nichts ungewöhnliches, dass ein Amrumer auf See blieb.

Historische Kogge im Hafen von Hamburg
Historische Kogge im Hafen von Hamburg

Das Leben als Schiffsjunge war indes hart und entbehrungsreich. Den Jungen wurden häufig die ungeliebten Aufgaben zugewiesen – der Posten im Ausguck bei Eiseskälte und schwerer See, Deck schrubben, und das alles bei karger Kost. Die Schiffsjungen hatten einen schweren Stand in der Mannschaft und wurden nicht geschont. Alles hing mithin vom Kapitän ab, der als disziplinarischer Diktator auf seinem Schiff schaltete und waltete. Die fähigen Kapitäne hatten somit gute Mannschaften und waren begehrte Partien.

Hamburg war damals bereits prosperierende Hafenstadt. Zu dieser Zeit wurde Kaffee als Importprodukt immer wichtiger und in Hamburg eröffneten die ersten Kaffeehäuser.

Der Beginn der Reise

Unsere Geschichte beginnt nun im Frühjahr des Jahres 1724. Der Winter ist vorüber und mit den Biake-Festen wurden die Seefahrer von der Insel verabschiedet. Korsaren werden immer mehr zur Gefahr. Das Schiff wurde daher mit Waffen ausgestattet. Vier Kanonen, Musketen, Degen. In der Besatzung waren kampferprobte Haudegen dabei. Die Mannschaft fühlt sich somit halbwegs sicher. Auf dem Weg nach Nantes gerät das Schiff in einen heftigen Sturm. Die eisige Kälte und die salzwassergetränkte Kleidung machen das Gehen schwer, Hark muss mit eisigen Fingern feste Knoten im Tauwerk lösen. Unterkühlung macht die übermäßige Anstrengung zur körperlichen Qual. Das Schiff – die Hoffnung – ist recht neu und übersteht den Sturm eben so.

Die Hoffnung bleibt eine Woche in Nantes. Geschäfte werden abgewickelt, Schäden repariert. Die Geschäfte laufen gut und bald ist das Schiff schwer beladen mit Getreide, Stockfisch, Steingut, Töpfen. Und doch: Es liegt Verrat in der Luft, gibt gar Anzeichen einer Meuterei. Verdächtige werden inhaftiert und brutal bestraft. Neue Besatzungsmitglieder werden rekrutiert.

Nach zwei Tagen auf See in Richtung Hamburg kommt ein Piratenschiff in Sicht. Nach einem kurzen Feuergefecht scheint das feindliche Schiff getroffen und dreht bei. Die Hoffnung flüchtet sich in den nächtlichen Nebel. Doch am nächsten Morgen lichtet sich der Nebel. Die Korsaren haben den Kurs der Hoffnung richtig vorausberechnet und lauern bereits auf das schwerfällige Handelsschiff. Der Angriff beginnt sofort, ein blutiger Kampf entbrennt, der auf beiden Seiten mehrere Opfer fordert. Die Besatzung wehrt sich erbittert, ist aber letztlich chancenlos – sie sind zahlenmäßig unterlegen und die Piraten zu gut bewaffnet. Hark wird also gemeinsam  mit den anderen Überlebenden in Ketten gelegt und auf das Piratenschiff entführt.

Piraten in Sicht!
Piraten in Sicht!

Entführt von den Korsaren

Hark wird zum Ruderdienst eingeteilt, wo brutale Disziplin herrscht. Jede Schwäche und jeder verpasste Zug wird mit harten Peitschenhieben bestraft. Kritisch auf dem Heimweg der Piraten nach Algier ist einzig die Passage der Straße von Gibraltar, wo häufig entführte Schiffe aufgebracht werden – aber die beiden Schiffe passieren unbehelligt.

Im Mittelmeer nun wird die Hitze immer größer, Vorräte und Frischwasser gehen zur Neige und werden streng rationiert – die Entführten bekommen eben genug zum Überleben. Die Piraten haben einen geistlichen Imam an Bord, der den Entführten die Konvertierung zum Islam anbietet – das hätte wohl das Schlimmste verhindert. Aber Hark wie die anderen lehnen wütend ab.

Hark Olufs als Sklave in Algier

Schließlich funkeln die goldenen Dächer des orientalischen Algier am Horizont. Im Hafen herrscht emsiges Treiben, viele Schiffe landen ihre menschliche Beute an. Schnell wird nun deutlich, dass die Besatzung auf dem Sklavenmarkt von Algier verkauft werden soll. Also beginnt eine Fleischbeschau, Männer wie Frauen werden entblößt und nackt von den potenziellen Käufern begutachtet. Hark wird schließlich für 1000 Piaster verkauft, was eine stattliche Summe aber auch kein Vermögen darstellt. Ein Durchschnittspreis für einen Sklaven in Algier. Schlimm wiegt die Ungewissheit, was nun folgen wird – und die Trennung von den anderen Überlebenden der Besatzung. Hark ist 16 Jahre alt.

Sein Käufer ist Großhändler, der die Sklaven weiter vermittelt oder auf ein Lösegeld der Familie des Entführten spekuliert. Hark macht jedoch unmissverständlich klar, dass seine Familie nicht zahlen kann und wird – er möchte seinen Vater nicht in das Elend stürzen. Die Unterkunft an diesem Ort ist elendig, ein feuchtes Kellergewölbe. Die Mitgefangenen erlegen Ratten, die sie dann auf offenem Feuer braten. Hark wird zur Gartenarbeit eingeteilt, immerhin kann er so seinen Durst stillen und hat Zugang zu sauberem Wasser.

Schließlich wird er an einen Seidenhändler weiter verkauft. Hier wird er ordentlich behandelt und mit Kaftan, Turban und weichen Sandalen neu eingekleidet. Er erholt sich von den Strapazen.

Hark Olufs am Hof des Bey von Constantine

Nach einigen Wochen wird er wieder verkauft – sein neuer Herr ist der Bey von Constantine, der als Monarch über weitläufige Ländereien herrscht. Bei Hofe muss er schnell feststellen, dass hier Intrigen, Hinterlist und Missgunst herrschen. Er tut sich durch Loyalität hervor.

In der Heimat er Harks Vater Oluf Jensen indes längst Nachricht über die Entführung seines Sohnes erhalten. Unter seine Verzweiflung mischt sich auch die Freude darüber, dass Hark noch am Leben ist. Der Vater versucht nun also, über die dänische Sklavenkasse ein Lösegeld für die Befreiung seines Sohnes aufzubringen. Mit diesem Versuch scheitert er allerdings, denn die Hoffnung ist unter hamburgischer Flagge gefahren – die dänische Kasse erklärt sich für nicht zuständig. Die Höhe des Lösegeldes soll 1000 Goldtaler betragen – die 10fache Menge des Jahreslohns für einen Steuermann. Der Vater verspricht Hark in einem Brief, das Geld zu zahlen. Hark ist außer sich vor Freude, als er den Brief erhält.

Wenige Monate später trifft das Geld tatsächlich ein. An Stelle von Hark wird allerdings ein Hamburger Seemann mit ähnlichem Namen freigelassen. Unklar bleibt, ob es sich tatsächlich um eine Verwechslung handelte, oder ob der Bey den vielversprechenden jungen Sklaven für sich behalten wollte.

Der Aufstieg des Hark Olufs

Hark hat Arabisch gelernt und wurde zum Kaffeeschenker des Bey befördert. Als solcher kommt er in engen Kontakt mit dem Bey, erfährt vertrauliches, wird sodann mit Geschäftlichem und gar Spionage betraut. Er meistert alle Aufgaben und steigt stetig in der Gunst des Bey.

So oder ähnlich könnte der Bey von Constantine ausgesehen haben
So oder ähnlich könnte der Bey von Constantine ausgesehen haben

Zwar ist es nicht dokumentiert – aber wahrscheinlich ist, dass Hark in dieser Zeit zum Islam konvertiert. Denn er wird anschließend zum Schatzmeister, dem Gasnahdal, ernannt.

Hark ist nun in Amt und Würden. Als Schatzmeister ist es die Aufgabe von Hark, Steuern einzutreiben und das Vermögen des Bey zu mehren. Neben einem stattlichen Gehalt, 20 Sklaven und großem Stadthaus wird ihm auch der Befehl über 500 bewaffnete Reiter übertragen – er kommandiert die Kavallerie.

Kurz darauf bricht ein Aufstand los. Er wird von einem abtrünnigen Scheich angeführt. Im Gefolge des Bey bricht Hark Olufs zu einem Feldzug auf. Der Bey scheut jedoch die Konfrontation, der Feldzug gleicht eher einem Schaulaufen durch die Ländereien des Bey. Durch einen verlässlichen Spion erfährt Hark schließlich vom nahen Lager des Gegners. Mit seinen 500 Reitern bricht er auf, überwältigt die Wachen – wobei sich ausgiebiges Training mit dem Säbel bezahlt macht. Er bringt eine Kanone unter seine Kontrolle und macht das gegnerische Lager dem Erdboden gleich. Dabei erbeutet er die Kriegskasse und das Banner des Feindes, dazu Pferde und Waffen. Nur 5 seiner eigenen Männer werden getötet. Hark ist der Gewinner der Stunde. Während er zum General befördert wird, verlegt sich der abtrünnige Scheich auf Partisanenangriffe, die schwer zu erwidern sind. Bei einem Vergeltungsangriff gerät Hark mit seinen Truppen in einen Hinterhalt und werden aufgerieben. Hark Olufs wird gefangen genommen.

In der nun folgenden Gefangenschaft muss Hark um sein Leben fürchten. Mit der Zeit gelingt es ihm, die Enkeltochter des Scheichs als Fürsprecherin zu gewinnen. Schließlich gelingt ihm die Flucht. In der Folge flauen die Kämpfe ab und es wird Frieden geschlossen.

Die Karawane wird in der Würste von Hunger und Durst geplagt
Die Karawane wird in der Würste von Hunger und Durst geplagt

Die Informationen werden nun spärlich und lückenhaft. Sicher ist, dass Hark Olufs mit großem Gefolge zu einer Pilgerfahrt in Richtung Mekka aufbricht. Das spricht dafür, dass er tatsächlich zum Islam konvertiert ist, da “Ungläubige” hier keinen Zutritt haben. Der Pilgerzug wird von Hunger, Durst und Überfällen und verstreut lebende Beduinen begleitet. Schließlich erreichen sie jedoch glücklich ihr Ziel. Nach der Rückkehr nach Constantine beginnen friedliche Jahre, in denen Hark vermutlich eine Familie gründet. Allerdings wächst seine Sorge um den alternden Herrscher stetig – traditionell müssen Würdenträger dem Bey in den Tod folgen. Das Wohlergehen Harks hängt somit von der Gesundheit des Bey ab.

Die Schlacht um Algier

Auch die Konkurrenten im Hofstaat wissen um die Situation, schließlich erklärt ein Bündnis um den Bey von Tunis dem Bey von Constantine den Krieg. Truppen werden mobilisiert und der Feldzug gegen die Übermacht beginnt. Die Kämpfer werden in die Wüste gelockt und durch Hunger, Durst und Angriffe auf die Nachhut dezimiert. Um eine Entscheidung zu erzwingen, zieht die Schar gen Tunis. Hark wird in aussichtsloser Lage als Kundschafter ausgesandt – und gefasst. Aber es gelingt ihm, sich als Überläufer auszugeben und so das Lager der Feinde auszukundschaften. Es folgt ein gut organisierter Überraschungsangriff, der das Heer der Feinde fast vollständig vernichtet. Tunis ist erobert und der Bey schenkt Hark zum Dank für seine Dienste die Freiheit. Er darf sogar sein Vermögen mit sich in die Freiheit führen.

Die Rückkehr

Im Hafen von Tunis findet er ein französisches Handelsschiff, auf dem er gegen eine beträchtliche Summe einschiffen kann. Hark lässt sich Zeit für die Rückkehr, besichtigt Marseille und Paris. Im Frühjahr 1736 kehrt Hark Olufs, noch keine 30 Jahre alt, nach Amrum zurück. Sein Vater ist noch am Leben.

Er heiratet und führt ein beschauliches Leben auf seiner Heimatinsel. Zur sonntäglichen Messe erscheint er häufig in orientalischen Gewändern und gilt als extrovertierter Sonderling. Sein Reichtum ist bis heute auf der Insel legendär.

Quellen und Literatur

Die obige Schilderung folgt den belletristischen Schilderungen, allen voran

Der General des Bey: Das abenteuerliche Leben des Amrumer Schiffsjungen Hark Olufs von Udo Weinbörner – zu kaufen hier bei Medimops.

Viele Abschnitte seines Lebens sind indes nicht sicher dokumentiert, denn die historischen Quellen sind rar: Einzig die Autobiographie von Hark Olufs vermittelt authentische Fakten, dürfte jedoch auch durch persönliche Interessen gefärbt sein. Schließlich wurde er misstrauisch beäugt, als er plötzlich reich und in orientalischem Gewand wieder in seiner Heimat aufkreuzte. Die Autobiographie von Hark Olufs ist gemeinfrei und hier bei Projekt Gutenberg abrufbar.

Inselheld

Inselfan und Autor dieser Insel-Seite. Jede freie Minute wird der schönsten Nebensache der Welt gewidmet - der Erkundung der schönsten Inseln.

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