Die Insel Amrum, gelegen in der Nordsee und Teil der deutschen Nordfriesischen Inseln, ist nicht nur ein beliebtes Urlaubsziel mit malerischen Dünenlandschaften und endlosen Sandstränden, sondern auch ein Ort, der von einer reichen und faszinierenden Geschichte durchzogen ist. Eine Welt voller Märchen, Sagen und Legenden erwartet Besucher und Einheimische gleichermaßen und führt sie auf eine spannende Entdeckungsreise in die geheimnisvolle Vergangenheit der Insel.
In diesem Artikel wollen wir einige der bekanntesten und faszinierendsten Geschichten von Amrum vorstellen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Diese Sagen spiegeln nicht nur die kulturellen Werte und Traditionen der Inselbewohner wider, sondern ermöglichen es uns auch, in die mystische Welt von Amrum einzutauchen und die Insel aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Der Nöck und die Dünen
Die Sage “Der Nöck und die Dünen” erzählt von einem mysteriösen Vorfall auf der Insel Amrum im Jahr 1200. Die Bewohner der Insel entdeckten eines Tages am Strand die Leiche eines seltsamen, unheimlichen Wesens, dessen Körper von Seegras und Tang bedeckt und von Walrosshaut umhüllt war. Ohne zu zögern, begruben sie den Toten auf ihrem Friedhof bei der St. Clemenskirche, bevor die Sonne unterging.
In der folgenden Nacht entfesselte sich ein gewaltiger Sturm, der gewaltige Mengen Sand über das Kliff und auf die Heide wehte, als ob er die gesamte Insel unter Sand begraben wollte. Der Sand begann, Äcker, Dörfer und Weiden zu bedecken. In ihrer Verzweiflung wandten sich die Insulaner an einen alten Mann, der als Seher bekannt war, um Rat.
Der Alte riet ihnen, die Strandleiche auszugraben und zu prüfen, ob der Tote am linken Daumen lutsche. Wenn dies der Fall wäre, wäre er ein Nöck, ein Wassermann, den das Meer mit aller Macht zurückfordern würde. Die Amrumer folgten dem Rat und gruben den Toten aus, nur um festzustellen, dass er tatsächlich am linken Daumen lutschte – ein untrügliches Zeichen dafür, dass er ein Nöck war.
Umgehend brachten sie den Körper zurück zum Strand, und die beiden Ochsen, die den Wagen zogen, rannten mit ihrer Last ins Meer hinaus. In dem Moment legte sich der Sturm, und die aufgewühlten Dünen blieben zurück. Bis heute erinnern diese Dünen an die Begegnung der Amrumer mit dem geheimnisvollen Nöck und die Macht des Meeres.
Der verschworene Weg
Die Sage des “verschworenen Weges” erzählt die Geschichte eines ruchlosen Ritters, der in einer Burg namens “Borag” auf einem Hügel bei Norddorf auf der Insel Amrum lebte. Im Mittelalter suchte die Pest das Land heim und forderte viele Menschenleben, wodurch zahlreiche Waisenkinder zurückblieben, die Anspruch auf das Erbe ihrer verstorbenen Eltern erhoben.
Der Ritter von Borag jedoch behauptete, dass die Verstorbenen ihm ihr Land während ihrer Lebzeiten vermacht hätten. Er fand genug Menschen, die bereit waren, seinen Anspruch zu bestätigen und dafür einen Meineid zu schwören. Als sie sich jedoch zum Schwur im Kreis versammelten, schlug ein Blitz vom Himmel und verbrannte das Gras ringsum, begleitet von einem donnernden Krachen.
Gezwungen zur Flucht, verließ der Ritter von Borag die Insel, während die Meineidigen Norddorf verließen und über die Heide in westlicher Richtung zogen. Sie erreichten schließlich einen Ort, der heute im Meer versunken ist. Der Fluch, der auf ihnen lastete, wirkt jedoch noch immer auf dem Weg, den sie einst beschritten. An diesem Ort wächst bis heute nur spärliches Gras. Seitdem wird der Pfad als “verschworener Weg” bezeichnet.
Heute ist der “verschworene Weg” immer noch als Senke in der Landschaft erkennbar und wird teilweise als Reitweg genutzt. Der Haarwei (Heerweg) erstreckt sich vom Süden von Norddorf bis zur Vogelkoje Meerum. Er ist von dem Inselwald umgeben, der seit 1948 auf der Amrumer Heide in großem Stil aufgeforstet wurde.
Die Onerbäänken
Die Sage des Föögashuug erzählt von einem geheimnisvollen Volk namens Onerbäänken, das in bronzezeitlichen Grabhügeln auf den Inseln Amrum, Föhr und Sylt lebte. Diese unterirdischen Zwerge waren unsichtbar und bewohnten vorzeitliche Gräber, die in großer Zahl auf den Inseln zu finden waren.
Die Onerbäänken sollen ursprünglich friedlich mit den einheimischen Friesen zusammengelebt und für manche Wohltat gesorgt haben. Doch im Laufe der Zeit gerieten sie in Konflikt mit den Inselbewohnern und wurden vernichtet oder vertrieben. Einer Sage nach brachte ein Fährmann aus Utersum in einer stürmischen Nacht die Onerbäänken nach Amrum und fand bei seiner Rückkehr einen Hut voller Goldmünzen auf seiner Türschwelle – eine Münze für jeden der nächtlichen Passagiere.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Glaube an die kleinen Wichte, die als “Pukleute” auf Bauernhöfen und “Klabautermänner” auf Schiffen lebten, in der Bevölkerung lebendig. Mütter legten eine offene Schere auf das Kissen ihrer Wiege, um die heidnischen Onerbäänken davon abzuhalten, ihr Kind zu rauben oder gegen eines der ihren auszutauschen. Eine andere Sage erzählt von einer Witwe, die ihren Säugling auf dem Feld ablegte und später zwei identisch aussehende Kinder vorfand. Eine weise Frau riet ihr, die Stube mit dem Besenstiel zu fegen, um herauszufinden, welches Kind der Onerbäänke war. Als eines der Kinder lachte und sich über den Unsinn wunderte, verriet es sich selbst und wurde von der Mutter aus dem Haus gebracht.
Auf Föhr und Sylt tragen einige Hügelgräber, die mit den Onerbäänken (auf Föhr Otterbankis genannt) in Verbindung stehen, seltsame Namen und sind mit Sagen verknüpft. Vor allem die Brönshoger am Leuchtturm von Kampen auf Sylt werden häufig mit den Unterirdischen in Verbindung gebracht.